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Euklidische GeometrieOrigami und Papierfalten

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Die Verwendung von einem Lineal und einem Zirkel ist nicht die einzige Möglichkeit, geometrische Figuren zu konstruieren. Eine andere Technik verwendet überhaupt keine Werkzeuge: Origami.

Das Wort Origami (折り紙) ergibt sich aus dem japanischen oru (falten) und kami (Papier). Ziel ist es, Objekte aus einem oder mehreren Blättern Papier herzustellen, ohne zusätzliche Werkzeuge wie Kleber oder Schere zu verwenden. Man kann unglaublich schöne und beeindruckende Designs entwerfen - alle diese Figuren wurden aus nichts anderem als rechteckigen Papierblättern gebaut:

Das Erstellen solcher Formen kann viel Zeit in Anspruch nehmen, und es ist wichtig, dabei extrem genau zu arbeiten. Aber mit ein wenig Übung schaffst du das selbst auch!

Du brauchst nur ein quadratisches Blatt Papier. Falte das Blatt zuerst entlang seiner beiden Diagonalen.

Als nächstes falte es jeweils horizontal und vertikal in der Mitte - allerdings in die entgegengesetzte Richtung.

Nimm nun zwei gegenüberliegende Ecken des Blatts und falte sie wie gezeigt zusammen. Es entsteht ein kleineres Quadrat, das nach unten offen ist.

Falte die linke und rechte Ecke des Quadrats in Richtung Mittellinie. Dann drehe es um und wiederhole das.

Falte nun das obere Dreieck entlang der horizontalen Linie nach unten und öffne dann die Falten aus den letzten beiden Schritten.

Jetzt wird's schwierig: Nimm die untere Ecke des Papiers und falte sie entlang der horizontalen Linie, die du gerade erstellt hast, ganz nach oben. Einige der Faltlinien, die du vorher gemacht hast, werden umgekehrt. Dann dreh das Blatt um und wiederhole die Schritte.

Achte darauf, dass die beiden "Beine" nach unten zeigen. Dann nimm die linke und rechte Ecke und falte sie zur Mittellinie. Dreh das Blatt um und wiederhole die Schritte.

Du bist fast fertig! Öffne die rechte Seite leicht und falte den Kopf nach oben. Du musst sie dabei aufklappen. Wiederhole das dann mit dem Schwanz links.

Falte den Teil wie gezeigt, um einen Schnabel zu erzeugen. Du kannst entscheiden, wie lange er sein soll, indem du den Abstand der Faltung wählst.

Zum Schluss die beiden Flügel herunterklappen und auseinanderziehen.

Dieser Kranich ist eines der ältesten und bekanntesten Origami-Modelle. Wir haben noch viele weitere Anleitungen für Origami-Modelle, die du ausprobieren kannst!

Origami Axiome

Genau wie beim Zeichnen mit Lineal und Zirkel gibt es einige Axiome mit unterschiedlichen Falten, die mittels Origami möglich sind. Sie wurden erstmals 1992 vom italienisch-japanischen Mathematiker Humiaki Huzita zusammengestellt.

Man kann eine Gerade falten, die zwei beliebige Punkte verbindet.

Man kann jeden Punkt P auf jeden anderen Punkt Q falten. Dadurch entsteht der Strecke PQ.

Wir können zwei beliebige Linien aufeinander falten. Wenn sich die Geraden schneiden, entsteht des Winkels zwischen den beiden Geraden.

Mit einem Punkt P und einer Geraden _L_können wir eine Falte normal zu L machen, die durch P geht.

Mit zwei Punkten P und Q und einer Geraden L können wir eine Falte machen, die durch P geht wobei Q auf L platziert wird.

Mit zwei beliebigen Punkten P und Q und zwei beliebigen Geraden K und _L_können wir eine Falte machen, die den Punkt P auf die Gerade K und gleichzeitig den Punkt Q auf die Gerade L setzt.

Mit einem Punkt P und zwei Geraden K und L können wir eine Gerade senkrecht zu K falten, die P auf L setzt.

Es stellt sich heraus, dass diese Axiome noch mächtiger sind als die euklidischen. Die Dreiteilung eines Winkels und die Würfelverdoppelung sind mit nur einer Papierfaltung möglich! Natürlich ist es unmöglich, geschwungene Linien zu falten, und man bekommt die Quadratur des Kreises auch mit Origami nicht hin.

Anwendungen von Origami

Origami ist eine alte Kunst, und für die längste Zeit war es vor allem eine Freizeitbeschäftigung, ohne reale Anwendungen. Es stellt sich jedoch heraus, dass die für Origami entwickelten Techniken in der Technologie und Technik unglaublich nützlich sein können:

Origami im Weltraum

Satelliten benötigen große Solarmodule, um Strom zu erzeugen. Leider haben die Raketen, die Satelliten in den Weltraum transportieren, nur sehr begrenzten Raum für Fracht, und jedes zusätzliche Gewicht kostet viel Treibstoff.

Origami-Techniken ermöglichen es, dass sich Solarmodule "entfalten", wenn sie den Weltraum erreichen. Einige besonders clevere Faltungen sind unglaublich kompakt und benötigen nur wenige Motoren und andere mechanische Komponenten.

Origami in der Medizin

In der Medizin werden ähnliche Ideen von Origami in einem viel kleineren Maßstab übernommen. Im Jahr 2003 entwickelten die Forscher Origami Stents: winzige Röhrchen, die in die Blutgefäße eingeführt werden können. Sie werden zunächst hochgeklappt, können sich aber im Blut des Patienten ausdehnen, und so verstopfte Arterien oder Venen vergrößern.

Zusammenklappbare Brücken

Das britische und amerikanische Militär verwendete Origami, um zusammenklappbare, mobile Brücken zu entwickeln. Diese waren wichtig für die schnelle Überquerung von Flüssen oder Panzergräben und konnten viel schneller eingesetzt werden als frühere Konstruktionen.

Sie können auch für die Katastrophenhilfe eingesetzt werden, um Rettungsfahrzeugen nach Erdbeben oder Tsunamis schnell Zugang zu verschaffen. Dieses Bild ist von einem Prototyp, der an der Hiroshima University in Japan entworfen wurde.

Origami im Meer

Die Tiefen der Ozeane sind einige der am wenigsten erforschten Gebiete der Erde. Die dort lebenden Tiere sind oft schwammig und empfindlich, was ihre Untersuchung sehr schwierig macht.

Hier siehst du eine "Falle" in Form eines Dodekaeders, die sich um Meeresorganismen falten kann, um sie untersuchen zu können. Sie wird ferngesteuert und benötigt nur einen einzigen Motor, um die komplexe Klappbewegung ihrer fünf Arme zu steuern.

Und es gibt noch viel mehr Anwendungen von Origami im Alltag: Häuser, die sich bei einem Erdbeben zusammendrücken anstatt zu zerbröckeln, aufgehende Airbags im Auto, sich selbst zusammensetzende Roboter, effizientere Verpackungen und Leichtflugzeuge.

Origami in der Natur

Es stellt sich heraus, dass wir Menschen nicht die einzigen sind, die dieses machtvolle Origami nutzen: Die Natur tut dies seit Millionen von Jahren.

Hier siehst du den Flügel eines Ohrwurms, der nach einem ausgeklügelten Muster hochgeklappt werden kann. Beim Öffnen dehnt sich die Größe des Flügels um den Faktor 10 aus - die höchste "Faltungsrate" im Tierreich:

Im aufgeklappten Zustand rasten die großen Flügel in eine stabile Position ein, die es den Insekten ermöglicht, zu fliegen. Aber es braucht nur die leichteste Berührung, damit sich die Flügel zurückziehen. Zusammengeklappt sind sie kompakt genug, um es Ohrwürmern zu ermöglichen, in Gängen unter der Erde zu leben. Viele andere Insekten, Fledermäuse, Blätter und Blumen verwenden ähnliche Faltmuster, um große Flächen auf engstem Raum unterzubringen.

Wissenschaftler untersuchen diese Pflanzen und Tiere und hoffen, ihre Fähigkeiten in Technik und Technologie nachzuahmen. Mögliche Anwendungen könnten beispielsweise zusammenklappbare Elektronik in Smartphones, sich entfaltende Solarmodule für Satelliten oder sogar sich selbst zusammenlegende Campingzelte sein.

Origami kommt sogar im eigenen Körper vor: Jede menschliche Zelle enthält etwa 2 Meter DNA, das Molekül, das alle deine genetischen Informationen trägt. Wenn du die DNA aller Zellen in deinem Körper kombinieren könntest, wäre ihre Länge mehr als das 140-fache der Entfernung von der Erde zur Sonne!

Um die gesamte DNA in deinen Körper einzupassen, ohne dass sie verdreht oder zerrissen wird, ist jeder Strang eingerollt, gefaltet und wird mittels spezieller Moleküle fixiert.

Ein ähnlicher Prozess wird auch von anderen komplexen Molekülen genutzt, die in lebenden Organismen vorkommen. So ist beispielsweise die Proteinfaltung eines der komplexesten Probleme in der Biologie. Es besser zu verstehen, kann Wissenschaftlern helfen, in Zukunft neue Medikamente zu entwickeln.

Archie